Jugend hat heute anders «Bock aufs Auto»
Das L-drive Mobility-Forum auf dem Gurten in Bern widmete sich der Frage, wie die veränderte Einstellung junger Menschen zur Automobilität die Fahrausbildung beeinflusst.
Hat die Jugend heute noch «Bock aufs Auto»? Ulrich Seewer, Vizedirektor im Bundesamt für Raumentwicklung ARE, gab in seinem Einführungsreferat am diesjährigen L-drive Mobility-Forum eine unmissverständliche Antwort auf diese Frage: Anhand der alle fünf Jahre vom Bund aktualisierten Erhebungen zum Mobilitätsverhalten der Schweizer Bevölkerung stellte er klar, dass auch heute noch 70 Prozent der täglich zurückgelegten Distanzen auf den motorisierten Individualverkehr fallen würden. Knapp 90 Prozent der 25- bis 64-Jährigen besitzen einen Führerausweis. Und: Bei der Gruppe der 18- bis 24-Jährigen sind es nahezu 70 Prozent. Interessant dabei: Nach rückläufigen Quoten bis 2010 «machen Junge heute wieder mehr die Führerprüfung.»
Herausforderungen bei der Fahrausbildung
Dass die grosse Herausforderung für die Fahrausbildung nicht das mangelnde Interesse der Jungen ist, zeigten auch die Referate der weiteren Fachexpert:innen:
Jan Genschow, wissenschaftlicher Leiter am Institut für Prävention und Verkehrssicherheit in Brandenburg, skizzierte am «Fallbeispiel Deutschland», wie die dortige Fahrausbildung mittels eines Blended-Learning-Konzepts weiterentwickelt wird. Er zeigte dabei auf, «dass die nun bevorstehende Optimierung der Fahrausbildung auf wissenschaftlichen Forschungsprojekten basiert», in denen Empfehlungen für Ausbildungsinhalte und -verläufe sowie für einen systematischen Einsatz von digitalen Medien zur selbständigen Vor- und Nachbereitung des Präsenzunterrichts in der Fahrschule erarbeitet wurden. Jedoch zeichne sich bei der derzeitigen verkehrspolitischen Umsetzung der Empfehlungen auch ab, dass wissenschaftliche Konzepte zum Teil durch nicht-wissenschaftliche Kriterien verwässert werden.
Reale und virtuelle Ausbildung kombinieren
Die Folgen einer Verpolitisierung der Fahrausbildung zeigte Christoph Jöhr, Leiter Verkehrsverhalten bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU schön auf: «Zu viele Neulenkende verunfallen kurz nach der Prüfung!» Um Gegensteuer zu geben, setzt die BFU auf mehr Fahrpraxis während der Lernphase. Hierzu soll die einjährige Lernphase dienen. Daneben, so Christoph Jöhr weiter, müssten aber auch die Chancen des virtuellen Lernens genutzt werden. «So können wir die Gefahrenwahrnehmung stärken.» Mit dem von der BFU entwickelten VKU-Quiz, welches Christoph Jöhr vorstellte, steht hierfür auch bereits ein geeignetes Instrument zur Verfügung.
Blended Learning und digitale Lernmethoden
Das neue Ansätze in der Fahrausbildung zwingend sein werden, machte auch Jasmin Zimmermann, stv. Abteilungsleiterin Forschung Strassenverkehr bei der Beratungsstelle für Unfallverhütung BFU klar. Durch die zunehmende Automatisierung entstehen neue Anforderungen, auf die angehende Autofahrer:innen gezielt vorbereitet werden müssen. Zimmermann sprach sich in diesem Zusammenhang für «innovative Lehr- und Lernmethoden können auf den Umgang mit automatisierten Fahrfunktionen vorbereiten.» Blended Learning, eine Mischung aus Präsenz- und Onlineunterricht, kann hierbei helfen, den Umgang mit automatisierten Funktionen zu trainieren.
Bundesrat steht Red' und Antwort
Die von L-drive Schweiz organisierte Fachveranstaltung auf dem Gurten fand ihren Abschluss nach einem Podiumsgespräch mit Vertreter:innen der Zielgruppe der 17- bis 25-Jährigen mit dem Netzwerk-Apéro des Schweizerischen Verkehrssicherheitsrates VSR. Dieser hatte Bundesrat Albert Rösti eingeladen. Der Verkehrsminister stand Moderator Sven Furrer Red’ und Antwort und versicherte dabei mehrfach, «ein offenes Ohr für die Anliegen der Fahrlehrer» zu haben. Und: Damit dies nicht bloss leere Worte bleiben, lud der Bundesrat L-drive Schweiz auch gleich auf ein Gespräch ein.